Es sind nur noch wenige Tage, bis Joachim Löw und seine Trainer-Kollegen aus aller Welt ihre Kader für die WM 2014 in Brasilien bekannt geben müssen. Fast alle machen ein großes Geheimnis aus der Nominierung. Doch die Spione der anderen Länder sind längst überall. Besonders Erzrivalen und Titel-Konkurrenten beäugen sich unaufhörlich. So wie Deutschland und England.
In Deutschland mag man nun wieder müde lächeln. England? Erzrivale, nun gut, aber Titel-Konkurrent? Nein, das sehen selbst die größten Optimisten kritisch im Mutterland des Fußballs. Das heißt aber nicht, dass Experten und Fans nicht mit Genuss das Seziermesser ansetzen, um Deutschlands Titel-Chancen zu analysieren. Man scheint sich einig auf der Insel: Wenn man den Deutschen schon zugestehen muss, im Gegensatz zu England zum Favoritenkreis zu gehören, dann, bitteschön, muss der Erzrivale auch mit dem Druck leben. Oder in den Worten der englischen sky-Kollegen ausgedrückt: "Deutschlands Goldene Generation, es wird Zeit zu liefern!"
Die Saison 2013/14 hat der Rivalität zwischen Deutschland und England ein neues Kapitel hinzugefügt: Noch nie hat es auf Vereinsebene in internationalen Wettbewerben so viele deutsch-englische Duelle gegeben wie in der aktuellen Spielzeit. Insgesamt 13 Mal haben sich deutsche Klubs mit englischen gemessen. Die Bilanz sprach zwar am Ende knapp für England (6 Siege, 2 Unentschieden, 5 Niederlagen), doch eine bizarre Bewunderung – nie würde ein Engländer dieses Gefühl als Neid bezeichnen – war zu spüren: für Deutschland, für seine Fußballer, seine Talente, seine Spielweise, seine Trainer, seine Zukunft – und für seine WM-Chancen.
"Wenn Ihr mit diesen ganzen Super-Kickern nicht Weltmeister werdet, lacht Euch die ganze Welt aus", raunte mir ein Kollege der "Daily Mail" nach dem Hinspiel des FC Bayern bei Arsenal London zu. Gerade hatte Toni Kroos eine Weltklassevorstellung abgeliefert und untermauert, warum er einer der am heißesten gehandelten Kandidaten für einen Wechsel auf die Insel ist.
Lange nicht mehr, wenn überhaupt, haben mutmaßlich so viele englische Top-Klubs um so viele deutsche Nationalspieler gebuhlt. Die Gerüchteküche kommt kaum nach mit Meldungen um Kroos, Marco Reus, Thomas Müller, Julian Draxler, Lars und Sven Bender, Ilkay Gündogan, Mats Hummels, Jerome Boateng oder auch Shkodran Mustafi. Nicht zu vergessen, dass mit dem Arsenal-Trio Mertesacker/Özil/Podolski sowie Chelsea-Angreifer Andre Schürrle bereits vier aktuelle DFB-Kicker auf der Insel spielen.
Diese Gier nach deutschen Spielern ist ein englisches Zugeständnis an die Entwicklung, die der deutsche Fußball in den letzten Jahren genommen hat. "Wenn ich sehe, wie viele deutsche Supertalente in der Bundesliga rumlaufen, frage ich mich, was in England falsch gelaufen ist", sagte kürzlich erst Liverpool-Legende Jamie Carragher. Zwar wird auch Englands Nationaltrainer Roy Hodgson, wenn er am 12. Mai sein Aufgebot bekannt geben wird, wohl einige Youngster in seinem Team haben, wie den erst 18-jährigen Luke Shaw oder den ein Jahr älteren Raheem Sterling. Doch von der Qualität eines Mario Götze oder Julian Draxler sind diese Jungs noch ein ganzes Stück entfernt. Zumal es den Engländern, wie Carragher weiter erklärte, im Gegensatz zu den Deutschen in der Tiefe des Kaders fehle.
"Wir haben die Spieler, um den Ball halten und ein Spiel kontrollieren zu können", kommentiert Englands Hall-of-Fame-Mitglied Gary Lineker, der zusammen mit Take That den offiziellen WM-Song der englischen Mannschaft eingesungen hat. Spieler wie Daniel Sturridge oder Adam Lallana hätten eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Und auch der ehemalige Kapitän der Three Lions, Bryan Robson, glaubt, dass England "noch immer über Weltklasse-Spieler verfügt, mit denen wir an einem guten Tag ein Top-Team schlagen können".
Doch einen ernsthaften Vergleich mit der deutschen Mannschaft wagt niemand. Stattdessen schwingt ein Respekt mit, der nicht neu ist, früher aber eher mit der Angst vor dem Elfmeterschießen verbunden war. Heute steht er für echte Hochachtung vor dem, was sich im DFB im letzten Jahrzehnt getan hat. "Deutschland hat einen guten Mix aus jungen und erfahrenen Spielern", lobt Robson. "Sie haben ihre Stärken in allen Mannschaftsteilen, das macht sie so gut: von Manuel Neuer über Kapitän Philipp Lahm, der ein fantastischer Spieler ist, bis zu Bastian Schweinsteiger, Mario Götze und Mesut Özil."
"Sie sind momentan die stabilste Mannschaft in Europe." Deshalb werde das DFB-Team bei der WM auch nur schwer zu schlagen sein. Allerdings, und das sagen nicht nur Robson und die sky-Kollegen, müsse Deutschland mit dieser Mannschaft endlich liefern. So sehr für Brasilien der Heimvorteil spreche, ein europäisches Team noch nie auf süd-, mittel- oder nordamerikanischem Boden den WM-Titel geholt hat und auch die Klimaverhältnisse für die Zauberer vom Zuckerhut sprechen: Für Robson gibt es nur ein Team, das den Titel 2014 gewinnen wird – und muss: "Deutschland!"
Quelle: T-Online.de